Subversive Filmkunst im irritierenden Spannungsverhältnis zwischen Selbstzerstörung, Selbstbefreiung, Selbstfindung und Ästhetik
Die gebürtige Leonbergerin Julia Ostertag begann 1989 mit dem Studium von Malerei und Film in Hannover, wechselte dann an die HBK Braunschweig und schloss das Studium 2003 als Meisterschülerin (Diplom mit Auszeichnung) ab. Ihre Abschlussarbeit war Sexjunkie, ein 10-minütiger Video-Essay, das internationale Beachtung fand und beschreibt die Schwierigkeit, Liebe und Sexualität mit der Unfähigkeit zu verbinden, ohne emotionalen Kontakt zu leben.
Wer am lautesten schreit...
wird entweder heiser oder PEGIDA-AnhängerIn. Wir wissen doch, dass wer am lautesten schreit, nicht immer auch zwangsläufig Recht hat. Aber mensch schafft sich so Gehör. Das Volk pöbelt, schreit
und greift für das Vokabular der Ablehnung und Verachtung tief in die menschenverachtende Kiste, mischt Zitate aus der NS-Zeit mit zeitgenössischem Jargon: "Volksverräter", "Lügenpresse" und
andere gebrüllte Tiraden sind Ausdruck einer Klientel, die glaubt, sie sei im Recht und agitiere im Namen des Volkes.
TEAR THEM DOWN
Abide EP
Backbite Records
Schon lange habe ich keine Band mehr gehört, die flotte Punkmusik spielt und den Arbeitsprozess mit Spaß, Schwung und Disziplin ausfüllt. Dabei entstehen hymnische Melodien im rasanten Tempo, die
enorm Druck aufbauen, geradlinig und virtuos gespielt werden. Ich habe es ja schon einmal in einem früheren Review erwähnt, dass mich TEAR THEM DOWN mit ihrem flotten, schnellen Punkrock an Bands
wie EBBA GRÖN, ASTA KASK erinnern.
Julia, du bist Autorin, Regisseurin, Kamerafrau und Cutterin. Deine Filme setzen sich mit sexueller Identität und alternativen Lebensweisen auseinander, sind künstlerisch dem
Undergroundfilm und inhaltlich kontroversen und queeren Thematiken verbunden, die im filmischen Mainstream keinen Platz finden.
Warum orientierst du dich an den Nischen des filmischen Erzählens?
Weil ich selbst eine Nische bin! Oder dort zuhause. Ich bin ein Mensch, der sich wirklich in keiner gängigen Schublade und gesellschaftlichem Klischee sowie in den von den
Massenmedien angebotenen (Gender-) Rollenbildern auf Dauer zu Hause fühlt. Und das drücke ich in meinen Filmen aus. Und zwar nicht von einer verkopften pädagogischen Position aus - NICHT im Sinne
von „Hey I got a message“, sondern weil es mein innerstes Bedürfnis ist, sozusagen Spuren von Andersartigkeit zu hinterlassen. Zudem reizt mich die Ästhetik von Subkultur und
Androgynität.
Ich habe Film als Kunstform bei einer radikalen Avantgarde Künstlerin und Feministin namens Birgit Hein studiert. Das hat diesen meinen Ansatz natürlich zusätzlich getriggert und ich konnte mich
dort gut austoben.
Meinen Ansatz habe ich in meinen späteren Langfilmen weiterentwickelt.