AIB #96
60 DIN A 4 Seiten; €3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Der Fokus liegt erneut auf die komplexen Verstrickungen zwischen NSU und Verfassungsschutz. DAS AIB thematisiert in diesem Zusammenhang zurecht den “Zustand der Gesellschaft”, auch um aus den Lehren des historischen gesamtgesellschaftlichen und antifaschistischen Versagens bei den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen die Verantwortung zu übernehmen und Aufklärungsarbeit zu leisten, wachsam zu bleiben. Es ist wichtig, den Fokus auszuweiten und die öffentlichen Diskussionen über »Rechtsextremismus« und Verfassungsschutz in die linksradikale Perspektive auf Staat und Rassismus einzubeziehen und Ansätze für einen Umgang hiermit aufzuzeigen.
In jüngster Vergangenheit wurden immer mehr NSU-Unterstützer und VS-Spitzel namentlich bekannt. AIB beleuchtet den Fall Thomas Starke, seinen NSU-Kontakt und seine Informationen und Hinweise zu dem seit 1998 untergetauchten Neonazi-Trio des NSU und stellt die Vermutung an, dass die relevanten Hinweise “jemals vom Berliner LKA weitergegeben wurden”.
Eine weitere Person, Thomas Richter, findet als NSU-Unterstützer Erwähnung, der von 1997 bis 2007 auch als Informant »Corelli« des Bundesverfassungsschutzes tätig gewesen sein soll.
Wolf-Dieter Vogel zeichnet das gezielte, geplante staatliche Verwischen von Spuren innerhalb der VS-Behörde nach und liefert historische Beispiele, wo Geheimdienstler und Polizisten mit Neonazis kooperieren, wie eng die Behörden in Neonazi-Strukturen eingebunden sind, beschreibt ausführlich das staatliche Versagen und die Hintergründe zum Brandanschlag am 18. Januar in Lübeck, bei dem 10 Flüchtlinge, darunter Kinder und Jugendliche ums Leben kamen.
Björn Resener thematisiert unter Mitarbeit von Andreas Förster den Fall Ralf Wohlleben und seine Verstrickungen zum NSU-Trio bzw. erklärt die Hintergründe und personelle Verknüpfungen des Südtiroler Treffens »Blood and Honour – Combat 18 Sektion Tirol« mit der Beteiligung bayerischer Nazis und NPD-Kader unter Berufung vom italienischen Inlandsgeheimdienst. Der Artikel will erklären, wie das NSU-Terrortrio finanziell unterstützt wurde, kommt zur Erkenntnis, dass “das NSU-Unterstützerumfeld Teil eines, bis in die Führungsebene der NPD reichenden, grenzübergreifenden Netzwerks von Neonazis waren, in dem rassistische Gewalttaten goutiert und finanziell unterstützt wurden”.
Der VS ist strukturblind, hat versagt, also, warum nicht einfach auflösen und den VS abschaffen? Der Beitrag von AKKU erklärt, warum es weiter wichtig ist, diese Forderung in die Öffentlichkeit zu transportieren.
Gesamteindruck:
Das AIB versucht weiter Licht ins Dunkle zu bringen, gerade auch vor dem Hintergrund, dass Behörden immer wieder Akten vernichten und eine lückenlose Aufklärung be- und verhindern. Die Aufklärung der Verstrickungen deutscher Sicherheitsbehörden mit dem tödlichen Rechtsterrorismus des NSU steht am Anfang. Umso wichtiger ist es, eigene Recherchen für Aufklärung zu betreiben und vor allem eine unabhängige Begleitung herzustellen. Diese Arbeitsweise wird umso bedeutender, da nicht nur der NSU-Untersuchungsausschuss ständig blockiert wird und der VS kein Interesse an einer Aufklärung hat, da das Innenministerium ihre Quellen schützt (Beispiel “Corelli”). Ein Jahr nach der angestrebten Aufklärung der NSU-Morde “mauern” die Behörden. Um weitere Verbindungen aufdecken zu können, müssen auch die Verantwortlichen der Sicherheitsbehörde zur Rechenschaft gezogen werden, da es sich längst um eine Staatsaffäre handelt. Doch so lange die Innenminister von Bund und Ländern wie jüngst auf der Konferenz in Rostock eine Neuordnung des Verfassungsschutzes beschließen und den VS stärken, rückt das skandalträchtige Vorgehen ebendieser Behörde in den Hintergrund und beweist: Die Dienste dienen nur sich selbst. Daraus muss eigentlich logisch folgen, den VS aufzulösen.