AIB #99
60 DIN A 4 Seiten; €3,50.-
AIB, Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
www.antifainfoblatt.de
Das Autoren-Kollektiv widmet sich einem klassischen Infoblatt-Thema: Neonazis, Terror, Kriegsspiele, die charakteristisch jene neonazistische Ideologie widerspiegelt und auf Vernichtung abzielt. Umso wichtiger ist ein internationaler Austausch antifaschistischer Strukturen, denn Neo-Nazis kämpfen auf internationalen Kriegsgebieten mit und beteiligen sich über die Grenzen hinweg am Völkermord. Dabei bedien sich Neo-Nazis vielfältiger Motive: rassistische Ideologie (Ethnische Säuberung, Rassenkrieg), heroisiertem Soldatentum, Männlichkeit (Stärke, Mut, Kraft). Der Artikel “Dressed to kill” schildert die Beteiligung deutscher Neonazis als Söldner im Jugoslawienkrieg und in Südafrika nach. Die Autoren zeichnen auch Verbindungen zum NSU-Terrortrio nach. Der Leipziger Reinhard Rade, der früher im rechten Söldnermilieu aufgefallen sein soll, hatte einen Wohnsitz in Südafrika. Im Februar diesen Jahres beleuchtete die Tageszeitung »Neues Deutschland« die Rolle des 1964 in Innsbruck geborenen Immobilienhändlers. Unter dem Titel »NSU – Masche im globalen Geflecht alter und neuer Nazis« schildert der Hintergrundbericht, dass Rade als junger Mann einer Wehrsportgruppe angehört habe. Weitere Fallbeispiele liefern Nachweise, inwieweit deutsche Neonazis insbesondere in Südafrika in militante Organisationen eingebunden waren (Nick Greger).
Weitere interessante Artikel beleuchten die neue “Identitäre Bewegung” und die Partei “Alternative für Deutschland”, die vom Rechtsaußen-Milieu unterstützt wird. Wichtig ist auch die Erinnerungspolitik im Artikel über den “20. Transport”. Youra Livchitz, Robert Maistriau, Jean Franklemon überfielen in Belgien einen Deportationszug nach Auschwitz.
Gesamteindruck:
Im Zusammenhang zum Schwerpunktthema und der Beteiligung deutscher Neo-Nazis als Söldner in Kriegsgebieten wäre es sinnvoll gewesen, die Rolle des Staates mit einzubeziehen (Frankreich greift nach wie vor gern besonders bei heiklen Operationen, aber auch in UN- und NATO-Militäreinsätzen oder auch unter EU-Mandat gern auf seine Fremdenlegionäre zurück), wie auch Berichte über Söldner in Afghanistan, Irak, sowie die Tatsache, dass Deutsche als Söldner spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sehr begehrt waren. Ehemalige Wehrmachtssoldaten dürften einen großen Teil des Kontingentes der Fremdenlegion gestellt haben, die zwischen 1945 und der Befreiung Algeriens in der Kolonie den Widerstand bekämpften. Mit mehr als 50000 stellten die Deutschen zwischen 1945 und 1962 die Hälfte aller Fremdenlegionäre, die dort eingesetzt wurden. Auch im Vietnamkrieg waren Deutsche Legionäre unentbehrlich. Das bleibt im AIB-Schwerpunkt unerwähnt. Ebenso interessant und hilfreich wäre es, aufzuführen, inwieweit private Sicherheits-Firmen eingebunden sind, wer die Waffen bereitstellt und wo die notwendige militärische Ausbildung stattfindet. Nicht nur die Bundesregierung erwartet eine zukünftige Auslagerung militärischer logistischer und Sicherheitsaufgaben an Private. Und diese Firmen (z.B. der Lübecker „Bodyguard Academy“) bilden die Verknüpfung von ehemaligen Bundeswehrsoldaten und ihren neuen Tätigkeiten als Söldner, die in der Öffentlichkeit unerwähnt bleiben, weil keine Anzeigenpflicht besteht.