Jeder Mensch hat Vorurteile und Stereotypen über verschiedene soziale Gruppen; diese sind oft tief in der Gesellschaft verankert und werden somit von einer relativ großen Gruppe von Menschen geteilt. Vorurteile und Stereotypen bilden sich sehr schnell, doch im Gegensatz dazu ist es sehr schwer, diese wieder abzubauen. Sie erfüllen bestimmte Funktionen, sie dienen beispielsweise als Orientierungshilfe und verleihen dem Individuum in unbekannten Situationen Verhaltenssicherheit. Durch die Ein- und Ausgrenzung von Personen werden Gruppen gebildet, hierbei sind Vorurteile und Stereotypen dem Individuum behilflich. Weiterhin bilden, sichern und legitimieren Vorurteile die Machtverhältnisse innerhalb einer Gesellschaft und erfüllen somit eine weitere Funktion.
Im Rahmen des psychodynamischen Ansatzes werden die Gründe für die Entwicklung von Stereotypen und Vorurteilen im Wesen des Menschen gesucht. Nach diesem Ansatz entstehen feindselige Einstellungen gegenüber Fremdgruppen aufgrund von innerpsychischen Konflikten und Fehlentwicklungen der Persönlichkeitsstruktur. Andere Faktoren wie kulturelle Bedingungen, soziale Normen und Erlebnisse in der Kindheit beeinflussen zwar die Entwicklung von Vorurteilen. Letztlich kommt es aber bei dem einzelnen Menschen darauf an, wie er diese Einflüsse zusammen mit seinen unbewussten Konflikten und seinen psychodynamischen Reaktionen in seinen gesamten Lebensstil zusammenfügt (Bsp.: Sündenbocktheorie).
Oft genug ist der Wunsch nach dem “Anders sein” konträr mit der Flucht vor Normen, Werten, kurz: der Normalität. Wer aber ständig zu hören bekommt, anders zu sein, bekommt das gesellschaftliche, soziale Stigma verpasst, ohne es zu wollen und wird fremddefiniert. Mit diesem sozialen Status fertig zu werden, erleben täglich Menschen die Intoleranz: das Nicht-Tolerieren und Nicht-respektieren anderer Menschen. Die mangelnde Akzeptanz des Anders-sein anderer Menschen steht im Zusammenhang was als “normal” angesehen wird.
Je mehr Mensch davon abweicht, desto mehr wird er/sie von anderen als anders empfunden. Wir fangen an, zu vergleichen, nach unterschiedlichen und gleichen äußeren Merkmalen zu suchen und kategorisieren, vorverurteilen wo wir nur können. Wir lästern, werten ab und auf und fühlen uns frei von Schuld und Unrechtsmoral, denn schließlich ist “Anders sein” doch normal!
Intoleranz kann sich auf das äußere Erscheinungsbild (Hautfarbe, Kleidung, Behinderung), die Religion, Herkunft, persönliche Meinung, sexuelle Ausrichtung beziehen. Sie kann viele Formen annehmen: Rassismus, Nationalismus, Diskriminierung als Folge der Intoleranz. Im Dritten reich und in Nazideutschland wurden Minderheiten verfolgt und ermordet. Und heute gilt das Anders-Sein zumindest für mich als negatives Synonym für Ausgrenzung und Diskriminieren. Früher wollte ich auch anders sein, mich bewusst von Gesellschaft und gesellschaftlichen Normen abgrenzen. Heute will ich Gleich-Sein und fordere das Recht auf Gleich-Sein. Und damit meine ich nicht Anpassung, sondern die Wertschätzung gegenüber dem Individuum, dem ich Respekt und Toleranz entgegenbringe. Dieses Selbstverständnis setzt Akzeptanz voraus, Menschen aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität, ihrer Behinderung oder wegen ihrer Religion nicht zu benachteiligen.
Ernst genommen zu werden, ist bereits ein elementares Anliegen all unserer Kinder, damit sie die Chance haben, sich mit einem starken Rückgrat zu entwickeln.
Hält mensch sich das vor Augen, stellt sich die Frage:
Wie sollen sich Menschen, deren Rückgrat zerbrochen ist, je wieder entfalten können, wenn es – auch – der gesellschaftliche Konflikt erschwert, dass sie sich, so, wie sie sind, (erneut) aufrichten können?
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