Öffentliche Räume sind auch Orte des sozialen Austausches. Sie dienen nicht nur der Orientierung, der Repräsentanz und der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt, ihrer Gemeinde, sondern sind auch ein Ort der Integration, an dem verschiedene gesellschaftliche Gruppen zusammenkommen.
Stigmatisiert durch die konservative Werte-Welt wurde das Gammeln im öffentlichen Raum zur Gegenkultur, zu einem neuen Lebensstil. Statt entfremdeter Lohnarbeit das Recht auf Faulheit, statt Karriere der Ausstieg, statt Konsum der Konsumverzicht. Mit ihrer Haltung waren sie „ lebender Protest “. Sie stellten ihren Müßiggang im öffentlichen Raum zur Schau.
Der öffentliche Raum ist auch immer ein Spiegel der Gesellschaft und sagt etwas über unseren gegenseitigen Umgang – hier sind wir nicht “Allein”, können nicht selbst entscheiden, was wir sehen wollen, tun dürfen, passieren kann, sondern teilen uns diesen Raum und diese Entscheidungen mit den anderen und dürfen oder müssen auch aushalten, dass wir an diesen Orten selber öffentlich sind. Von daher bleibt der öffentliche Raum stets Gegenstand der “öffentlichen Meinung”, ein Ort des Begegnens, des Austausches und des Widerspruchs zwischen verschiedenen Ansprüchen. Folglich regulieren wir den öffentlichen Raum mit unserem Verhalten und bewerten Handlungsmuster. Die gegenwärtigen Klagen von BürgerInnen über die “Unordnung” im öffentlichen Raum sind Ausdruck dieser Situation. Der Ruf nach repressiven Interventionen der Polizei gegen auffällige Personengruppen im Straßenraum, gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch, gegen aggressive Bettelei, gegen Graffitimalereien an Hauswänden und gegen Vandalismus führt zu einem Politikum: der öffentliche Raum muss überwacht werden, bevor das öffentliche Leben verfällt. Der Mensch darf im öffentlichen Raum passieren, sich von einem Ort zum nächsten bewegen. Er muss funktionieren und einen bestimmten Zweck erfüllen. Bei der Durchquerung des öffentlichen Raumes in Fahrzeugen löst er sich in eine diffuse Neutralität auf ( Sennett 1995, 456).
Dies blieb nicht ohne Folgen auf die Raumorganisation der Öffentlichkeit. In der Charta von Athen wird die Wohnung zum Zentrum der Stadt ( Le Corbusier 1957, 108 f.). Der öffentliche Raum kommt begrifflich nicht vor, wird den Funktionen Wohnen , Freizeit , Arbeiten und Verkehr als Ausstattungs- und Wegemerkmal subsumiert.
Mit der Funktionentrennung zerfiel das öffentliche Verhalten in funktionsgeprägte Muster: Sie lassen sich grob beschreiben als
- anonyme Geschäftigkeit in Innenstädten,
- zeitliche Gebundenheit im Umfeld von Arbeitsstandorten,
- lockere Entspanntheit an Erlebnisorten der Freizeit und
- distanzierte Bekanntheit in den Wohnquartieren.
Im September 1998 beschloss der Rat der Landeshauptstadt Hannover das «
Sicherheitskonzept
Hannover
» als erstes Arbeitsergebnis des Kommunalen Kriminalpräventionsrates (1998). Im Hinblick auf die Verhaltensregulierung in den urbanen öffentlichen Räumen beinhaltet das Sicherheitskonzept zwei Dimensionen, die als Interaktionsstrategie und als raumstrukturierende Strategie bezeichnet werden können.
Im Klartext
: Mehr Sicherheitskräfte im Einsatz, um den Kontakt zwischen Ordnungskräfte und “
störenden
” Personengruppen zu gestalten, Problemzonen identifzieren und Durchführung von baulichen Maßnahmen, um die “
informelle soziale Kontrolle”
zu verbessern. Hannover war zudem im Jahr 1976 die erste deutsche Stadt, in der dauerhaft Videoüberwachung betrieben wurde. Es wurden 25 ferngesteuerte, schwenkbare, stationäre Zoom-Kameras eingesetzt. Im Jahre 2010 sind hier 42 Polizeikameras im Einsatz.
Dabei verstoßen mehr als 99 Prozent der in Niedersachsen angebrachten Überwachungskameras gegen Datenschutzbestimmungen, das hatte der
Landesdatenschutzbeauftragte
Joachim Wahlbrink
Mitte April verkündet. Von 3.345 von ihm überprüften Kameras seien nur 23 korrekt betrieben worden.
Trotz des rasanten Zuwachses an staatlich betriebenen Kameras sei das Bewusstsein für Risiken und Gefahren einer Videoüberwachung bei den öffentlichen Stellen “völlig unterentwickelt”, klagt
Wahlbrink
, der das Ergebnis seiner Studie als “überraschend und niederschmetternd bewertet”. Kopfzerbrechen bereitet dem Datenschutzbeauftragten die “Ignoranz vieler Behörden” gegenüber seiner Kritik. Sie belege, “dass es gar kein Unrechtsbewusstsein gibt”. Schlimmer noch ist derzeit die Kampagne von
GOOGLE
, die unter dem “Service”
StreetView
auf Straßenansichts- und Entdeckungstour sind.
Doch es gibt ihn noch, den Protest, den Widerstand gegen städtische/polizeiliche Strategien. In einer Pressemeldung der Polizei Oldenburg vom 26.03. heißt es: “
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag beschädigte ein bislang unbekannter Täter einen an der Wichernstraße geparkten Kamerawagen, welcher von einer für das Internet tätigen Gesellschaft zur bildlichen Dokumentierung von Straßenzügen eingesetzt wird. Es wurden die Verbindungskabel zwischen der auf dem Dach montierten Bildaufnahmeanlage und dem Fahrzeuginnenraum durchtrennt..
.”
Aber GOOGLE kann noch mehr: Der Internetkonzern erfasst nicht nur sämtliche Gebäude, sondern – wie wohl noch weitere Firmen und Institutionen – auch systematisch sämtliche WLAN-Netze in Deutschland. Ein Vertreter des Konzerns habe eingeräumt, dass in Deutschland alle für den Internetdienst von »Google Street View« im Einsatz befindlichen Fahrzeuge mit technischen Geräten zur Kartografierung von WLAN-Netzen ausgerüstet seien. Neben dem Verschlüsselungsstatus der Geräte und einer eindeutigen Seriennummer (MAC-Adresse) werde auch der von dem bzw. der NutzerIn vergebene Name der Funkstation (SSID) gespeichert.
Der urbane Raum muss geschützt bleiben. Soviel ist sicher!!!
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