HINTER DEN SCHWULEN LACHERN
-Homosexualität bei den Simpsons-
v. Erwin In het Panhuis
225 Seiten (28,7 x 21,2 x 2 cm, Hardcover); € 28.-
shop.jugendkulturen.de
Inhalt:
Die erfolgreiche US-Zeichentrickserie “Die Simpsons” richtet sich mit ihren satirischen Beiträgen zu politischen und gesellschaftlichen Themen seit mehr als zwanzig Jahren auch an Erwachsene.
Anhand der ersten 500 Folgen hat der Autor analysiert, welche Referenzen die einzelnen Figuren aus der Zeichentrickserie zu schwulen und lesbischen Themen (wie bspw. der Homo-Ehe) haben und wie sich die Serie zu Schwulen/Lesben positioniert. Dabei werden nicht nur viele Figuren mit ihrer recht flexiblen sexuellen Orientierung vorgestellt, sondern auch ca. 200 popkulturelle Referenzen meist Filmtitel kritisch unter die Lupe genommen, Fälle von Zensur dokumentiert und ein Vergleich mit anderen Serien vorgenommen.
Zum Autor:
Erwin In het Panhuis
, Jg. 1965, hat als Diplom-Bibliothekar u. a. für den Schwulenverband in Deutschland (SVD, heute LSVD), das NS-Dokumentationszentrum in Köln (Leitung von Bibliothek und Archiv), I & U TV Produktion (Stern TV) und für das Referat für Lebensformenpolitik und gleichgeschlechtliche Lebensweisen beim Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW gearbeitet.
Im Centrum Schwule Geschichte (CSG) hat er im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit bzw. als Vorstand verschiedene Ausstellungs- und Buchpublikationen initiiert und durchgeführt, u. a. Homosexualität in der Filmgeschichte, St. Sebastian und Homosexualität in Köln von 1895-1918.
Gesamteindruck:
Erwin
betont, dass sich seine Arbeit auch “gegen die Flüchtigkeit des täglichen Fernsehprogramms” richtet und beabsichtigt einen emanzipatorischen Umgang mit “Homosexualität”, der heuer in vielen Serien und Filmen präsent ist, aber von weiten Teilen der Gesellschaft noch nicht akzeptiert oder Mainstream ist. In Deutschland wurden vor allem Ralf König’s Comicverfilmungen wie “Der bewegte Mann”, “Kondom des Grauens” im schwulen Kontext bekannt und für Nicht-Schwule interessant, weil der schwule Blickwinkel Distanz zum eigenen Leben verlangt, weil unheil- und machtvolle Strukturen deutlicher hervortreten, weil das eigene Verhalten sich besser verstehen und möglicherweise ändern lässt. Bei den SIMPSONS ist der schwul-lesbische Kontext sehr oft versteckt und verschleiert, weniger offen als in König’s Comics, Filmen und “spielt” mit einer kultivierten Undeutlichkeit, was der “Zuschauerbindung” dient. Die flexible sexuelle Orientierung spiegelt sich vor allem in den unterschiedlichen Charakteren und Figuren wider, die im Laufe der Staffeln einen Prozess durchlaufen, wobei der Wortwitz und die vielfältigen sexuellen Andeutungen im Original zum größten Teil unter einer mangelhaften, weil fehlerhaften, nachlässigen und sinnentleerten deutschen Übersetzung verloren geht. Der Gebrauch von Sprache im queeren Kontext ist umso bedeutender, je passender die Übersetzung und Formulierung in der Übersetzung ist. Homophobie und homophobe Gewalt wir indes ironisch und mit Wortwitz unterhaltsam dargestellt. Homophobie resultiert bspw. aus Angst vor körperlicher Nähe, “Opfer” provozieren selbstbewusst. Die Autor_innen der Serie adaptieren zahlreiche Figuren aus den Bereichen Musik, Film, Politik, die karikiert und in einem schwul-lesbischen Kontext präsentiert werden, wobei der lesbische Anteil geringer ausfällt.
Dennoch gibt es zahlreiche kontrastreiche Konturen, die Platz lassen für positive Vorurteile und klischeehafte Beleidigungen. Je nach Umgang mit der eigenen Sexualität ergeben sich differenzierte Interpretationsmöglichkeiten der schwul-lesbischen Andeutungen, die Zuschreibungen von Eigenschaften/Merkmalen ermöglichen und gar zu Stigmatisierungen und moralischen Bewertungen führen. Doch genau diese negative “Rollenbewertungen” bei Schwulen, Lesben wird in der Form der Satire ad absurdum geführt. Vor allem spätere Folgen sind politischer und haben einen deutlicheren Charakterbezug, was größere Möglichkeiten der Identifikation bietet. Homoerotische Tagträume, sich küssende Männer, Andeutungen von Anal- und Oralverkehr, Travestitismus, Homophobie. Die Folgen sind voller Andeutungen und zeigen auch einen offenen Umgang mit gleichgeschlechtlicher Sexualität. Die Autor_innen der Serie beweisen, dass Kreativität dabei hilfreich sein kann, eine möglichst klischeefreie Darstellung von queeren Themen in einer Zeichentrickserie zu bieten. Das ist aufgrund der großen Beliebtheit der Serie auch wichtig, um einen offenen Umgang mit der eigenen Sexualität zu fördern, gleichzeitig aber auch Respekt und und Toleranz für die LGBT-Community fordert.
Eine wissenschaftliche Analyse und Arbeiten zu Homosexualität in Zeichentrickserien ist unterrepräsentiert bis gar nicht vorhanden. Insofern wirft Erwin’s Analyse zur Serie auch weitergehende Fragen auf wie mit queeren Themen und Sexualität in den Medien umgegangen wird, ob queere Themen in Form von Satire ein Motor für die Veränderung der Geschlechterverhältnisse sein kann, um der LGBT-Community Wertschätzung und Anerkennung in der Gesellschaft zu geben.