Im Infoladen in Bremen findet man vieles, was im gesellschaftlichen Einerlei sonst keinen Platz hat: Kritische, linke Literatur, gute Musik, fair gehandelten Kaffee, Broschüren und Infos zu aktuellen Veranstaltungen, Debatten etc. Aber auch nette Leute die man alles fragen kann. Sofas zum gemütlichen zusammen sitzen. Abends finden hier häufig Vorträge zu einer großen Bandbreite an Themen statt, bezahlen muss das keiner, spenden kann jeder nach eigenem Ermessen. Im Keller findet sich das Archiv der Sozialen Bewegungen, organisatorisch ist es zwar vom Infoladen abgekoppelt, aber dennoch irgendwie ein Teil des Ladens. Moritz, Bernd und „Zorro“ sind unterschiedlich lange in der Ladengruppe tätig und sorgen damit für die Erhaltung des Raumes.
Seit wann gibt’s denn den Infoladen, vielleicht könnt ihr einfach so ein bisschen erzählen, wie es dazu gekommen ist?
Bernd:
Also einen Infoladen in Bremen gibt’s seit mittlerweile 30 Jahren, der Laden an diesem Ort, den gibt´s auch schon seit deutlich über 20 Jahren. Das Haus war mal ein Tauschobjekt für ein besetztes Haus. Weswegen wir relativ lange auch eine günstige Miete hatten, das hat sich irgendwann im Laufe der Zeit geändert. Ursprünglich war es ein Infoladen, der aus dem linksradikalen Teil der Anti-AKW Bewegung gekommen ist. Er ist damals zu Brokdorf-Zeiten, Mitte Ende der 70er, entstanden. Dann war´s irgendwann so, dass es in diesem Haus die absurde Situation gab, dass es hier zwei Läden an einer Stelle gab. Durch den heutigen Raum verlief damals eine Wand. Auf der rechten Seite war der Laden mit Anti-AKW Schwerpunkt, auf der linken Seite der Laden der mehr einen Antifa-Schwerpunkt hatte und zu Hochzeiten haben beide nicht miteinander gesprochen. Das war eine sehr abgefahrene, eine sehr verrückte Zeit, und ich glaube auch eine, die beiden Läden und auch der Bewegung überhaupt nicht gut getan hat. Irgendwann vor, ich weiß nicht mehr, 12, 13 Jahren, haben sich dann so ein bisschen die “Weicheier” aus beiden Ladengruppen zusammengetan und mal ein Bier zusammen getrunken und mal geredet, ob man es nicht irgendwie anders regeln und kann. Daraus ist dann der Laden entstanden wie er jetzt ist, ein gemeinsamer Laden als ein größeres Projekt und auch noch mal mit einem anderen Schwerpunkt. Nämlich mit der Idee dahinter, nicht einen Laden für Leute zu machen, die schon seit 10 Jahren in der Szene sind und wo du dich nur reintraust, wenn du den richtigen Kapuzi anhast und auch ganz sicher die Person hinter der Theke kennst, sondern wo die Schwellenängste noch mal ein bisschen niedriger gehängt sind, als dann an anderen linksradikalen Orten. Zumindest meine Idee vom Laden ist ja, dass es, wenn´s gut läuft, eher so ‘ne Art Bindeglied zwischen Leuten ist, die Linksradikal aktiv sind und Leuten, die es nicht sind, noch nicht sind, vielleicht gerne werden wollen, Kontakte suchen. Und das klappt mal besser und mal schlechter finde ich.
Habt ihr das Gefühl, dass der Laden rege genutzt wird? Also kommen zu euren klassischen Öffnungszeiten viele Leute hier her oder wie ist das so “Durchlaufpublikum” her?
Zorro:
Das ist irgendwie total unterschiedlich. Also manchmal gibt´s so Phasen, wo total viel los ist, dann wieder Phasen, wo fast gar nichts los ist. Manchmal wechselt das auch einfach von den Tagen. Da lässt sich aber nicht so richtig ein Muster hinter erkennen.
Wie seit ihr intern organisiert? Also ihr habt dieses Ladenteam und dann ja die ganzen Veranstaltungen die Außenrum noch so funktionieren. Trefft ihr euch regelmäßig?
Zorro:
Also wir haben einmal in der Woche Plenum, wo wir dann auch jede Woche neu die Dienste verteilen zum Beispiel. So, dass nicht irgendwie Leute sagen müssen „ich mach jeden Woche den und den Tag“. Wir besprechen dann einfach die Sachen die anfallen. Wir selber machen selten mal ‘ne Veranstaltung und wenn, dann nur wenn´s irgendwie direkt irgendwas mit dem Laden zu tun hat oder so was wie eine Buchvorstellung. Aber das meiste sind Veranstaltungen von anderen Gruppen die den Raum dann hier nutzen.
Bernd:
Das ist tatsächlich auch so ein bisschen das Selbstverständnis, was uns, glaub ich, trägt, das hier zu machen. Wir sind nicht ‘ne Polit-Gruppe im klassischen Sinn sondern stellen auch ‘ne Infrastruktur oder ‘ne Dienstleistung zur Verfügung, von der wir hoffen, dass ganz viele andere Leute sie nutzen. Für uns, oder für die meisten von uns, ist der Laden nicht ihr einziges oder ihr Hauptbetätigungsfeld, sondern die meisten Leute, die in der Ladengruppe sind, sind in ganz unterschiedlichen anderen politischen Gruppen und Fraktionen und Kämpfen aktiv. Da ist der Laden auch so ein bisschen ein Ort, wo viel zusammenläuft und wo aus ganz unterschiedlichen Ecken -auch politischen Ecken- Leute zusammen kommen und sich austauschen. Das klappt meistens auch recht gut, auch wenn es da inhaltliche Unterschiede oder eine relative Bandbreite gibt.
Ja, in die Richtung wäre auch so ein bisschen meine nächste Frage gewesen: Wie entscheidet ihr z.B. wer hier Veranstaltungen machen darf? Also die Leute kommen auf euch zu und sagen: “Wir wollen gern eine Veranstaltung machen”? Habt ihr da intern so eine Art Konsens, dass ihr sagt, “das und das Thema das geht uns zu weit oder das passt irgendwie nicht in unseren Rahmen”?
Zorro:
Ja also, ich glaub, wir haben schon eine ziemliche Bandbreite, und wir stehen nicht hundertprozentig hinter allen Veranstaltungen, die hier im Einzelnen stattfinden. Aber trotzdem gibt´s -glaub ich- für alle Grenzen hier, und dass muss in der jeweiligen Situation entschieden werden. Bei jeder Veranstaltung ist es prinzipiell möglich, dass jemand in der Ladengruppe sagen kann: “Nee, geht gar nicht” und “Ich will nicht, dass das hier stattfindet”. Und das wird dann eigentlich auch respektiert.
Bernd
: In 99 % aller Veranstaltungen ist es einfach eher so eine pro forma Sache, dass Leute zum Plenum kommen und sagen: „Hier, wir machen ‘ne Veranstaltung zu haste nicht gesehen. Ist am dritten der Raum noch frei?“ und wir dann entweder Ja oder Nein sagen, ob er frei ist oder nicht. Dann gibt es aber dieses eine Prozent der Veranstaltungen, wo wir dann, oder wo einzelne dann merken, „ups das ist aber ein Thema, da bin ich mir nicht sicher, ob ich dem Raum geben will“. Da gucken wir, dass wir es dann auch schaffen zu sagen “wir müssen erst noch mal intern reden”.
Wie viele seit ihr ungefähr so?
Bernd:
Zu wenig.
Moritz:
Ich glaube, als Gruppe sind wir wahrscheinlich schon so ein Dutzend, aber es gibt halt einen kleinen Kreis, der regelmäßig jede Woche oder alle zwei Wochen auch einen Nachmittag hier den Laden aufsperrt und dann doch eher mehr die, die nur sporadisch Dienste übernehmen können, weil sie mit Arbeit, Studium etc. beschäftigt sind. Das ist eigentlich ein permanentes Suchen nach neuen Leuten. Momentan funktioniert es einigermaßen, aber es gab auch schon Zeiten, wo wir´s nicht geschafft haben dreimal die Woche aufzusperren.
Habt ihr den Raum hier selbst gemietet oder ist das Eigentum?
Bernd:
Wie gesagt, der war mal ein Tauschobjekt und wir haben über sehr, sehr lange Jahre eine eher symbolische Miete bezahlt. Das waren 300 Mark damals oder so, was für so ‘ne (zentrale) Lage, einfach wahnsinnig günstig war. Dann, vor etlichen Jahren, hat die Stadt mal gemerkt, dass sie ziemlich wenig Miete für ‘ne relativ gute Lage kriegt und uns einen Staffelmietvertrag aufgedrückt, was schon mal was zum Schlucken war für uns und auch stückweise dazu geführt hat, dass sich die beiden zerstrittenen Lager damals zusammengerauft und gesagt haben “Ok, jetzt muss aber auch mal Schluss sein mit dem Quatsch hier, wir müssen mal sehen, dass wir das gemeinsam irgendwie gewuppt kriegen”.
Und vor, ich weiß gar nicht, 5, 6 Jahren hat die Stadt verkauft. Wir hatten kurz überlegt ob wir´s selber kaufen, haben uns dann dagegen entschieden, weil vielleicht der Kauf für uns oder unser Umfeld finanzierbar gewesen wäre, aber es ist doch ein relativ heruntergekommenes Haus. Wir haben relativ großes Glück gehabt, dass der Typ, der es gekauft hat, ein ex-linker Architekt ist, der es dann für einen immer noch relativ vernünftigen Preis an uns weiter vermietet hat. Wir sind auch so lange in diesen Räumlichkeiten, nicht, weil wir sie so gut finden, ich meine, die haben natürlich auch was mit dem vielen Licht und den vielen Fenstern, das ist natürlich auch für linksradikale Orte eher ungewöhnlich, treibt die Glasbruchversicherung auch ziemlich in die Höhe, aber es hat den Riesen Vorteil, dass wir quasi die gleiche Fläche, die wir oben haben, noch mal unten haben als Archivräume. Das war tatsächlich auch immer der Punkt, weswegen wir bei allen Widrigkeiten und Verkäufen und Mieterhöhungen immer hier geblieben sind, weil wir einfach das Archiv der Sozialen Bewegungen noch im Keller haben, wovon wir uns sehr ungern auch räumlich trennen würden, d.h. wir sind immer auf relativ viel Fläche angewiesen.
Und wie kriegt ihr das finanziert?
Zorro:
Also das meiste läuft über Spenden, entweder unregelmäßige Sachen oder wir haben seit ein paar Jahren so ein „Miet-mit-Konzept“, dass wir Leute, also WGs oder Einzelpersonen oder Polit-Gruppen, auffordern, dass sie einen Dauerauftrag einrichten sollen. Ab 5 Euro oder auch gerne mehr. Die Idee war eigentlich, dass damit ein Großteil der laufenden Mietkosten abgedeckt werden sollte, das funktioniert zumindest nicht mit dem Großteil, aber es kommt darüber regelmäßig was rein, das ist schon auch eine Entlastung. Und der Rest ist halt über Spenden. Wir müssen viel Soli-Partys oder mal einen Cocktailstand oder so was machen, was auch anstrengend ist und mal mehr und mal weniger Spaß macht, weil eigentlich die Leute nicht in der Ladengruppe sind, um Partys zu organisieren.
Moritz:
Die letzten Jahre haben wir doch immer mehr Veranstaltungen hier gemacht, die dann oft auch mit Stiftungen oder dem AStA der Universität in Kooperation organisiert waren, worüber wir dann auch noch mal eine Raummiete bekommen haben, oder bei Veranstaltungen ist dann eben auch noch mal eine Spendendose herumgegangen. Das hat sich in den letzten Jahren schon auch als eine fixe Einnahmequelle etabliert und hat auch noch mal ein neues Publikum hierher gebracht. Die Partys sind nicht mehr ganz so essentiell wie´s eine Zeit lang war. Also es ist immer noch sehr wichtig, aber es ist Gott sei Dank nicht mehr so, dass eine Party -die schlecht besucht wird- dann dazu führt, dass wir uns den Kopf zerbrechen müssen wie wir die nächste Monatsmiete bezahlen. Das hat so ein bisschen an Dramatik verloren, aber es kann natürlich auch wieder Zeiten geben wo´s prekärer sein wird.
Aber gibt´s auch Leute, die einfach auf euch zu kommen und sagen “wir machen das nächste Konzert Soli für euch”?
Bernd:
Ja gibt´s schon. Also das ist tatsächlich in letzter Zeit eher mehr, dass…
…also nicht, dass ihr erst immer “Hilfe” schreien müsst sozusagen.
Bernd:
Genau. Dass Leute sagen „hier, wir machen eh was“. Was wir hier an Büchern und Kaffee verkaufen, ist irgendwie nichts, was in irgendeiner Form nennenswert zur Miete oder zum Erhalt beiträgt. Der Laden ist ein ganz klares Zuschussgeschäft. Aber das ist ja auch nicht der Selbstzweck, sondern es geht ja tatsächlich darum, wenn Leute in Bremen finden, es soll so einen Laden geben und der macht Sinn, dann stehen sie auch stückweise in der Verantwortung, dafür was zu tun. Sei´s halt durch eine Spende oder mal eine Soli-Party. Das war auch immer so ein bisschen unser Credo, dass wir gesagt haben, wenn´s ganz scheiße lief und wir das Gefühl hatten, wir pfeifen aus dem letzten Loch, dann tatsächlich auch an die Szene ranzutreten und zu sagen “hier Leute, guckt, ob ihr uns haben wollt, glaubt ihr, dass ein Infoladen in Zeiten von Internet und Facebook noch zeitgemäß ist oder glaubt ihr, es ist verzichtbar, und wenn´s verzichtbar ist, dann machen wir halt dicht. Und wenn ihr´s halt behalten wollt, dann muss halt was kommen“ und bisher kam zum Glück immer noch was. Das ist ganz beruhigend.
Und eine Kooperation mit öffentlichen Stellen. Wollt ihr nicht? Also ist das für euch keine Option oder wollen die nicht?
Bernd:
Also es gab ab und zu Geschichten für´s Archiv weil´s einfach viele Arbeitsstunden sind und es auch noch mal vom Laden losgekoppelt ist. Für den Laden haben wir das immer recht vehement abgelehnt, weil wir immer gesagt haben, ok das eine ist, dass schafft eine Ungleichheit in der Ladengruppe wenn manche Leute bezahlt werden und andere nicht bezahlt werden oder wenn´s halt irgendwie Kohle für ein Projekt gibt und für ein anderes nicht. Zum andere machst du dich auch immer politisch erpressbar sobald du Staatskohle nimmst. Wenn du dich halt politisch nicht opportun verhältst ist das Geld halt wieder weg, und ich glaube, dass ist schwer, von der Kohle, die du mal hattest, wieder runter zu kommen. Insofern haben wir das immer weit von uns gewiesen.
Ja, ich hab nur eben drüber nachgedacht, weil du vorhin meintest, dass das hier auch mal städtisch war. Da hätte ja auch die Stadt sagen können, wir finden das gut und ihr kriegt den Raum günstig oder so was.
Bernd:
Nee, ich glaub es war tatsächlich nie ein „gut finden“, sondern es war tatsächlich immer ein Abwägen „wie viel Ärger handeln die sich ein, wenn sie versuchen uns irgendwie loszuwerden“.
Ihr seit ja so als Infoladen ein extrem öffentlicher Angriffspunkt. Gab es Situationen, dass irgendwie die Öffentlichkeit, die Nachbarn oder so gesagt hat “das ist der Aufenthaltsort der ganzen Linksextremen” oder auch das es konkret von irgendwelchen Gegnern irgendwelche Angriffe gab?
Bernd:
Ja wir sind aus einigen Glasbruchsversicherungen rausgeflogen. Weil´s eine zeitlang relativ regelmäßig Angriffe auf den Laden gab. Auch mal mit eher unschönen Sachen mit so Rauchbomben Würfen und so was. Seit ein paar Jahren ist´s relativ ruhig geworden was so das Nazi-Problem betrifft. Bullenmäßig ist es extrem ruhig in den letzten Jahren. Ob die eh alles mitkriegen und deswegen nicht mehr gucken kommen oder ob wir nicht mehr interessant genug sind, ich weiß es nicht genau, aber das ist auch immer phasenweise glaub ich.
Moritz:
In der Nachbarschaft hab ich jetzt eigentlich -seit ich im Infoladen mitmache- auch nicht mitbekommen, dass es irgendwie besondere Aversionen gibt. Aber ich glaube, da haben wir eben auch den Vorteil gegenüber Jugendzentren oder Kulturzentren, dass wir halt einfach auch -außer Seminaren und Diskussionsveranstaltungen- kein Programm machen, nichts was irgendwie Krach produziert oder wo dann die Massen Abends vor der Tür stehen und rauchen.
Bernd:
Und ich glaub, wir gehören auch schon so ein bisschen zum alternativen Viertel-Chic dazu. Also, man gönnt sich ja auch so ein bisschen so nen Laden, wo die, die immer noch so drauf sind wie wir früher, drin hocken sozusagen. Ich glaub, dass darf man tatsächlich auch in dieser Nachbarschaft wirklich nicht unterschätzen.
Zum Einen ist ist das eklig, zum Anderen haben wir ja schon immer, auch mal wenn´s hier Nazistress gab oder so, einfach wahnsinnig solidarische Sachen aus der Nachbarschaft mitgekriegt. Dass Leute sofort vorbeikamen, sofort Hilfe angeboten haben oder gesagt haben: “Ich hab das und das gesehen, ich hab das und das gehört”. Also das ist ja schon auch ein Milieu, was den Laden mitträgt.
Wenn ihr so drüber nach denkt, habt ihr so das Gefühl ihr kriegt genug Öffentlichkeit im Sinne von, dass die Leute wissen, das es den Laden hier gibt?
Moritz:
Das ist natürlich schwierig zu beurteilen, weil wir ja nichts von denjenigen mitkriegen, die es interessant fänden und nicht hierher kommen. Aber ich habe des Gefühl, dass beispielsweise -wenn größere politische Ereignisse gerade auf der Agenda stehen- noch mal ein anderes Publikum hierher kommt und der Laden schon auch bekannt ist. Also als letztes Jahr zum 30. April der Naziaufmarsch war (1), da waren die Nachmittage hier deutlich stärker frequentiert und da kamen auch viele Leute, die bis dato nie in den Laden gekommen waren. Total viele Schulkids, die erst 11 oder 12 waren, und die sich mit Aufklebern eingedeckt haben oder Eltern, die sich für ihre Kinder versorgt haben oder die einfach wissen wollten was jetzt mit dem Naziaufmarsch los ist und was es für Protestaktionen gibt. Da hatte ich schon den Eindruck, dass es eine relativ bekannte Adresse ist, wo Leute sich informieren, die vielleicht jetzt nicht im Alltag hier oft vorbeikommen. Ähnlich ist das auch, wenn beispielsweise Castorproteste oder der Gipfel in Heiligendamm vor ein paar Jahren waren, dass dann doch viele Leute auch hier nachfragen, ob´s Busfahrkarten gibt oder ne gemeinsame Zugfahrt. Also bei solchen Ereignissen kommt schon noch mal viel Publikum, was eben sonst eher selten hierher kommt.
Zorro:
Nach Fukushima auch.
Bernd:
Stimmt. Da haben wir die Reste aus dem Keller verkauft.
Zorro:
Teilweise Leute, die -glaub ich- noch nie hier waren und teilweise aber Leute, die tatsächlich mal vor über 20 Jahren oder so hier waren und dann überrascht festgestellt haben, dass es den Laden immer noch gibt.
Kooperiert ihr mit Infoläden in anderen Städten? Habt ihr da so ein bisschen einen Austausch? Oder ist das überhaupt interessant?
Zorro:
Ja, es gibt schon auch überregionalen Austausch mit Infoläden. Aber eher wenig.
Bernd:
Ich glaub aber, das der Austausch vor Jahren stärker war oder auch gemeinsame AGs, die dann gearbeitet haben. Ich glaub, dass Infoladen nicht mehr so ‘ne „Corporate Identity“ ist, dass die Infoläden nicht mehr, wie es in den 80er und 90er Jahren war, sehr klar einer politischen Strömung zugeordnet werden können und die Leute sich dann auch da getroffen haben, quasi der Infoladen von Autonomen für Autonome war. Sondern, dass es mittlerweile so ist, dass Infoläden in verschiedenen Städten so unterschiedlich sind, dass es da teilweise auch wirklich relativ wenig Überschneidungen gibt. Wie wir es machen und wie unsere Bandbreite ist, ist relativ ungewöhnlich. Die anderen Läden, die ich kenne, sind oft wirklich mehr noch einem Spektrum zugeordnet.
Und die ganzen Publikationen die ihr so auslegen habt, kommen die eher auf euch zu oder habt halt ganz speziell ausgesucht, wir wollen gerne das und das?
Bernd:
Von allein kommt wenig, würde ich sagen.
Also es ist eher so dass ihr dann sagt, das und das finden wir wichtig.
Bernd:
Ja. Genau. Oder dass teilweise andere Leute auf uns zukommen und sagen: „Wir haben da was“ oder „ich hab hier was gefunden zu…“ Das hat sich aber in den letzten Jahren auch noch mal verändert. Dadurch, dass einfach das Netz viel mehr an Relevanz gewonnen hat. Also die Anzahl der Broschüren ist einfach zurück gegangen, weil die Leute meistens ‘ne Homepage machen statt einer Broschüre. Die Zahl der Zeitschriften -die regelmäßig rauskommen- hat sich auch eher reduziert. Das heißt, dass sich noch mal der Charakter, den der Infoladen früher hatte, tatsächlich auch Nachrichten oder Infos zu verbreiten, die anderswo nicht zu kriegen waren, verändert hat. Genau das war ja auch für die Repression der Anlass. Dass es hier einfach Zeitschriften gab, die konspirativ hergestellt wurden, die es nicht im normalen Zeitschriftenhandel gab, wo´s einfach z.B. Anschlagserklärungen drin gab und solche Geschichten. Wir haben auch für die politische Praxis nicht mehr so eine Relevanz. Der Laden ist als Infopunkt sozusagen weniger wichtig geworden, aber dafür ist, finde ich, der Treffpunktcharakter und der Austauschcharakter noch mal gestiegen. Wenn die Leute das Zuhause vorm Rechner lesen, haben sie immer noch keinen, mit dem sie drüber reden können. Und wenn´s gut läuft, sind wir halt der Ort, wo das dann passiert.
© Regula
Fußnoten:
(1)
http://antifa-bremen.org/enemy/wahl-2011-vorlaeufiges-antifaschistisches-endergebnis.pdf
Wer beim Infoladen reinschauen oder ihn unterstützen will findet ihn in der:
St.-Pauli-Str. 10-12
Mo, Mi, Fr 16-19 Uhr
BBA-Infoladen e.V., Konto-Nr. 8027790600, BLZ: 43060967 GLS Gemeinschaftsbank
(Das gekürzte Interview wurde in UNDERDOG #38 veröffentlicht)