LOTTA #49
64 DIN A 4 Seiten; €3.-
Lotta, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen
lotta-magazin.de
LOTTA thematisiert die Konsequenzen und Auswirkungen der Verfehlungen und Versäumnisse von Polizei und Geheimdiensten im Umgang mit der Zwickauer Terrorzelle NSU. In letzter Zeit häufen sich offen gewordene staatliche Verstrickungen, Aktenvernichtungsaktionen und nebulöse Ausreden bzw. Nichtbeantworten der Geheimdienstbeamten im parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Ein Jahr ist es nun her, dass am 04.11.2011 die Existenz der Nazi-Terrorstruktur Nationalsozialistische Untergrund (NSU) bekannt geworden ist. Seitdem vergeht kaum eine Woche in der nicht neue Details ans Licht der Öffentlichkeit dringen. Dabei handelt es sich weniger um Enthüllungen über Strukturen, Hintergründe, gesellschaftliche Zusammenhänge oder gar politisch Verantwortliche, sondern eher um eine Farce, eine strategische Verschleierungstaktik der Geheimdienste. In NRW haben staatliche Maßnahmen ein Imageschaden abgewendet. Innenminister Ralf Jäger ließ mehrere Kameradschaften und Vereine verbieten. Ein mögliches Ziel dieser Aktion könnte die Stärkung des Inlandsgeheimdienstes sein, zum Anderen sollen staatliche Programme gegen rechts gestärkt werden, die die VS-Behörde weiter legitimiert und mit Präventivangeboten stärkt (“Staatsantifa”). Das hat zur Folge, dass antifaschistische, unabhängige Aktionsformen repressiv behandelt und/oder kriminalisiert bleiben (aktuelles Beispiel: Antifa-Camp) Dortmund).
Dr. Fabian Virchnow berichtet über Verbote extrem rechter Parteien seit 1945 und geht aktuell auf das angestrebte NPD-Verbotsverfahren ein und schildert die Auswirkungen eines Verbots auf die rechte Demonstrationspolitik und organisierte Rechte.
Rechtsanwalt Alexander Hoffmann sieht im Interview die gesellschaftliche breite Akzeptanz für Rassismus, Antisemitismus als Ursache für die staatliche Unfähigkeit erfolgreich gegen Rechts vorzugehen und definiert die bundesdeutsche Geheimdienstaufgabe als Aufforderung, gegen Links vorzugehen und sieht die Voraussetzungen für ein NPD-Verbotsverfahren bis heute nicht geschaffen, da V-Leute in NPD- und Nazistrukturen gewollt bleiben und kritisiert die verstärkte staatliche Repression gegen AntifaschistInnen vor dem Hintergrund, dass eine antifaschistische Kritik an der staatlichen Politik und ihre “grundlegende Gesellschaftskritik” unterbunden werden soll.Wie immer wichtig und informativ sind die Rubriken Aufmarsch-, Parteien-, Rechtsrocksplitter mit einer chronologischen Abfolge der letzten 3 Monate.
Gesamteindruck:
Die in NRW eingeleitete staatliche Offensive gegen rechte Kameradschaften und Vereine steht im Zusammenhang mit der Forderung nach einem härteren staatlichen Vorgehen gegen Rechts. Die Verbote haben durchaus zur Folge, dass die Strukturen der Extreme Rechte wie die KAL zusammenbrechen, die neonazistische Handlungsfähigkeit hat weiter Bestand und es ist davon auszugehen, dass sich die Nazis neue Betätigungsfelder suchen, anderen nicht verbotenen Kameradschaften anschließen oder sich re-organisieren. Insofern ist die von Innenminister Jäger organisierte Verbotswelle als Inszenierung und öffentliche Beruhigung zu bewerten. Die trügerische Ruhe in Dortmund, Aachen soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Staat und Polizei im Falle der NSU-Aufklärung jahrelang desinteressiert waren, schlampig gearbeitet haben. Jäger will den VS stärken und sein Vorgehen und Ziel, dass es alleine Sache des Staates ist, gegen Rechts vorzugehen, verstärkt den Eindruck, dass weiterhin antifaschistische, unabhängige Organisationen und Vereine repressiv behandelt werden. Wir sollten uns vor Augen haben, dass der Kampf gegen Rechts eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Antifaschismus unabhängig bleibt.