„Das Werben mit nackten, normgerechten Körpern bringt Menschen doch nicht ernsthaft dazu, tierrechtsrelevante Themen zu verinnerlichen“, SteFFan
STUMBLING PINS haben bereits 4 Touren, die unter anderem bis nach Littauen, Estland, Ukraine und Russland geführt haben, und viele einzelne Shows (auch als Support für Bands wie The Casualties, Far From Finished, Spermbirds…) gespielt. Zuletzt waren sie mit ihren Freunden von THE DETECTORS in Osteuropa/Russland unterwegs. Kurz davor sprach ich mit Tim(othy), (Gitarre, Gesang) und SteFFan (Bass, Gesang) über tierrechtsrelevante Themen.
„Nobody cares about animal rights!“ heißt es in eurem Song „Abused bodies“. Welche Gründe sind für die Gleichgültigkeit der meisten Menschen gegenüber tierrechtsrelevanten Themen ausschlaggebend?
Tim:
Ich glaube die meisten Menschen in der Gesellschaft werden so sozialisiert, dass der Konsum von tierischen Produkten als völlig normal angesehen wird. Das heißt, wenn dir deine Eltern von Anfang an Fleisch auf den Teller packen, ist der Schritt, dies zu hinterfragen, meist weit entfernt.
Was hat bei euch dazu geführt, auf Fleisch zu verzichten?
SteFFan:
Eine Wette. Ein Freund von mir hat angefangen sich vegetarisch zu ernähren. Ich war mir ganz sicher, dass ich verhungern müsse, wenn ich kein Fleisch mehr zu mir nehmen würde. Also haben ich und ein paar weitere Freunde, in unserer ohnehin sehr bedenklichen Selbstzerstörungsphase, den Selbstversuch gewagt kein Fleisch mehr zu essen. Das ist nun viele Jahre her.
Mittlerweile ernähren sich fast alle vegan. Fleisch hat seitdem niemand mehr gegessen.
Tim:
Ich hab mit 13 angefangen Punkrock zu hören und über vieles nachzudenken, was mich erst dazu gebracht hat auf Fleisch zu verzichten und später dann nur noch vegan zu essen.
Beschränkt ihr euch auf eine ideologische Grundsatzhaltung, fleischlos zu leben, rein auf die Ernährung oder interessieren euch auch tierrechtsrelevante Themen?
Tim:
Das ist, glaube ich, bei uns allen unterschiedlich und vielleicht auch oft Themenabhängig.
Zum Beispiel setzt sich jeder von uns mit Themen wie Tieren im Zirkus oder Tierversuchen auseinander.
Gibt es auf euren Konzerten immer wieder auch Ansagen, Info-Stände, die „Veganismus“, Tierrechte thematisieren? Welche Reaktionen folgen darauf und werdet ihr des öfteren gefragt, warum ihr euch für die Rechte von Tieren einsetzt, müsst ihr euch oft rechtfertigen?
Tim:
Ja, wir machen grundsätzlich eine kleine Ansage vor unserem Animal Rights Song, außerdem haben wir immer eine Auswahl an politischen Flyern im Gepäck.
Ich würde sagen, dass sich viele Menschen, die auf unsere Konzerte kommen, schon mit dem Thema Tierrechte beschäftigt haben, aber natürlich gibt es immer wieder Leute, die uns darauf ansprechen und wissen wollen was sich hinter dem Ganzen verbirgt. Manche von diesen gehen dann darauf ein und merken von sich aus, dass es Sinn macht auf tierische Produkte zu verzichten. Natürlich gibt es auf der anderen Seite auch andere, bei denen dieser Gedanke sofort auf Ablehnung stößt.
Tierrechtler_innen gelten in weiten Teilen der Gesellschaft als extremistische Außenseiter mit total negativem Menschenbild. Organisationen wie peta stehen in der Kritik, „übertrieben“ zu berichten, gewalttätig und „Krawallmacher“ zu sein. Sind gefilmte „Aufreger“ von peta notwendig, um ein Umdenken im Fleischkonsumverhalten zu provozieren oder ist das eher kontraproduktiv?
Steffan:
Gewisse Aufreger sind auf jeden Fall wichtig, um das Umdenken im Konsumverhalten zu provozieren. Was hinter den Türen von Schlachtereien und Fleischbetrieben abgeht wird den Konsument_innen bewusst vorenthalten. Diese gefilmten Aufreger sind also meist bloß die Realität und sollten auch als diese angesehen werden.
Wenn ich dann allerdings Kampagnen sehe, in denen Mastbetriebe mit Konzentrationslagern gleichgesetzt werden, beschleicht mich das Gefühl, dass vegane Ernährung bei manchen Leuten zu massivem Masseabbau im Gehirn führt. Solche Kampagnen sind einfach nur scheiße und auf jeden Fall als kontraproduktiv zu betrachten.
Peta wirbt in einer Kampagne immer wieder mit Promis und viel nackter Haut gegen das Tragen von Pelz. Sex sells! Verfehlt diese „Modekampagne“ das eigentliche Ziel, tierrechtsrelevante Haltungen zu verinnerlichen, zu reflektieren und zu ändern?
Steffan:
Peta möchte die Mitte der Gesellschaft erreichen. Im Prinzip was gutes. Die Mittel die Peta dafür einsetzt sind allerdings absolut daneben! Das Werben mit nackten, normgerechten Körpern bringt Menschen doch nicht ernsthaft dazu, tierrechtsrelevante Themen zu verinnerlichen. Vielmehr übermittelt es die Message: „Ernähre dich Vegan und du wirst zum Supermodel“.
Wer mal richtig abkotzen möchte sollte sich die relativ neue Kampagne von peta antun.
Heterosexuelle Normativität gepaart mit Verharmlosung sexueller Gewalt. Widerlich!
Das Peta für ihre Kampagnen oder Berichterstattung kritisiert wird, ist aber auch ein Beleg für aggressive Fleisch-LobbyistInnen, die die Politik und Gesetze beeinflussen. Schinkenhersteller Abraham und der Ex-Landwirtschaftsminister und Fleischlobbyist Funke haben im ARD-Talk „hart aber fair“ Einseitigkeiten wie „Fleisch sei unentbehrlich“ propagiert. Welche Konsequenzen hat diese Kooperation für den Verbraucher?
Tim:
Ich hab bis jetzt noch nicht mitbekommen, dass Peta von den bürgerlichen Medien, hinter denen die Fleisch-Lobby stehen könnte, kritisiert wurde. Ich denke, die Lobby versucht nicht unbedingt gezielt Veganismus-Kampagnen runter zu machen, sondern eher mit allen Mitteln ihre eigenen Interessen zu pushen und Alternativen zu ignorieren. Aber, wie du auch schon anhand deines Beispiels klar machst, ist es offensichtlich, dass eine Fleisch-Lobby die Politik beeinflusst. Für die Verbraucher_innen bedeutet das letztendlich sehr günstige Fleischprodukte und die Vorenthaltung von Problemen, die aus dem hohen Fleischkonsum resultieren.
Wie können vegane Positionen öffentlichkeitswirksam gestärkt werden?
Tim:
Demonstrationen von Tierrechtler_innen erregen oft Aufsehen, außerdem könnten viel mehr Beiträge in den Medien gebracht werden. Ich glaube Filme wie „Food Inc.“, „Earthlings“ oder „We Feed The World“ kriegen es schon ganz gut hin, vielen Menschen zu zeigen, wie viel Scheiße abgeht. Allerdings stellen die Meisten bei diesen Filmen nicht den Bezug zu ihrem Wurstbrötchen her.
Führen radikale Kampagnen zu einer ideologischen Inselbildung ohne Anspruch auf einen verhandelbaren Konsens oder sind bspw.Tierbefreiungsaktionen das konsequente Mittel zum Zweck, etwas zu ändern?
Steffan:
Ich halte radikale und gut durchdachte Kampagnen/Tierbefreiungsaktionen für genauso wichtig wie z.B. sachliche Aufklärung in der Mitte der Gesellschaft. Es verhält sich wie bei allen Versuchen etwas zu verändern. Es muss auf ganz vielen Ebenen mit verschiedensten Mitteln geschehen.
Mediale Berichte über skandalöse „Tiernutzhaltung“, falsches Deklarieren, falsche Kennzeichnung auf Nahrungsmitteln, Antibiotika im Futtermittel, dioxinbelastete Eier häufen sich und sollten Anlass sein, dass sich zum Einen das Verhalten des Konsumenten ändert. Doch Fleisch wird weiterhin billig produziert und gekauft. Massentierhaltung in Niedersachsen nimmt eher zu, als dass sie beschränkt wird. Ist der Kampf gegen die Agrarindustrie aussichtslos?
Tim:
Zuerst einmal ist es nicht so, dass ich mich vegan ernähre, um die komplette Agrarindustrie zu verändern. Vielmehr will ich für mich selbst klar stellen, dass ich nicht dazu beitrage, wie die Gesellschaft mit Tieren umgeht.
Natürlich sieht es nicht danach aus, dass sich das Konsumverhalten der Masse in naher Zukunft verändern wird und damit auch nicht die Industrie. Aber es ist schon zu erkennen, dass sich immer mehr Menschen entscheiden, etwas an ihrem Ernährungsverhalten zu ändern. Ich bin gespannt was in Zukunft noch passiert, und eventuell auch dazu führt, dass mehr Menschen auf tierische Produkte verzichten.
Menschen wissen, was Tieren angetan wird, dennoch wird wenig bewirkt. Sollte Tierschutzunterricht in Schulen Standard werden?
Tim:
Ja klar, die Regierung subventioniert Massentierhaltung und erstellt dann Lehrpläne, die Tierschutzunterricht beinhalten.
Warum sind Veganer_innen bessere Menschen?
Steffan:
Sind sie nicht! Im Allgemeinen gilt „auch mal übern Tellerrand zu schaun“, ein veganer Lebensstil ist nicht die Lösung aller Probleme. Mehr ist es ein guter Anfang bzw. eine logische Konsequenz aus der Ablehnung gegenüber diesem Unterdrückungssystem.
Tim: Ich stell mich doch nicht über andere Menschen, nur weil ich die Entscheidung getroffen habe mich vegan zu ernähren!
Abschließend würde mich euer veganes Lieblingsrezept interessieren…
Steffan:
Lasagne!!! Einfach Tofu mit Zwiebeln und Knoblauch anbraten. Tomatenmark dazu. Mit Rotwein ablöschen. Passierte Tomate drüber kippen. Bisschen Salz und Pfeffer. Das ganze dann mit Nudelblättern schichten. Hefeschmelz oder Bechamelsoße drüber kippen. Und rein in Ofen! MEGA GUT!!!
Tim:
Punkrock Nudeln. Irgendwelche Nudeln machen, dazu gibt’s Spinat mit Zwiebeln, Tofu und Soja-Sahne. Alles zusammen manschen, würzen und fertig!