Sven Teske
braucht globale Dimensionen und mächtige Gegner, um zur Bestform aufzulaufen. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er sich angelegt. Mit Industriebossen, Politikern, aber auch mit Gleichgesinnten. Und dabei nie sein Ziel aus den Augen verloren: den erneuerbaren Energien zum Durchbruch zu verhelfen. Und zwar weltweit. In Thailand montierte der Greenpeace-Campaigner in Dörfern Fotovoltaikanlagen, stärkte den Widerstand gegen neue Kohlekraftwerke, organisierte junge Menschen in der „Solar Generation“ und rechnete – zurück im Büro – immer wieder aufs Neue vor, dass der Ausstieg aus fossiler und nuklearer Energie machbar ist.
„Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich – und dann gewinnst du.“ Diese typische Abfolge von Kampagnen hat der gebürtige Wildeshauser schon mehrfach durchlaufen. Einstecken hat der Diplom-Ingenieur dabei gelernt.
(Das Interview ist aus UNDERDOG #5 , Spetember 2003; online mit anderer Einleitung und englischsprachiges aktuelles Profil als pdf, s. u.)
Sven, stell Dich den Lesern bitte vor!
Ich heiße Sven Teske, bin 36 Jahre, Diplom-Ingenieur und Kampagnenleiter für „erneuerbare Energien“ bei GREENPEACE.
Aus welcher Motivation heraus hast Du Dich entschieden, aktiv bei GREENPEACE mitzuwirken?
Kurz vor meinem 18. Geburtstag bin ich bei einer Reise nach Frankreich in Paris an einer akuten Blutvergiftung erkrankt. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt auf der Intensivstation einer Pariser Krankenhauses — bei dem ich nur knapp dem Tod entgangen bin – habe ich mich gefragt, was ich sinnvolles mit dem Rest meines wieder-geschenkten Lebens anfangen soll. GREENPFACE ist für mich die beste, progressivste internationale Umweltorganisation. GREENPEACE ist die einzige Umweltorganisation, die keine Spendengelder von Konzernen und Regierungsorganisationen annimmt. GREENPEACE ist damit unabhängig und frei, auch mal unangenehme Themen aufzugreifen. GREENPEACE will sich bei der Bevölkerung nicht einschmeicheln und gefallen, sondern verändern – auch wenn‘s mal weh tut.
Welche persönlichen Ziele hast Du Dir anfangs bei GREENPEACE gesetzt und welche davon sind realisiert worden?
Ich wollte bei direkten Aktionen — speziell auf See und im Ausland — teilnehmen. Außerdem wollte ich helfen, Lösungen zu Umweltproblemen zu entwickeln. Nur kritisieren, ohne Wege aufzuzeigen, die gegangen werden können, ist auf Dauer nicht glaubwürdig.
Welche persönlichen Ansichten haben sich zu damals in Deinem Wirkungsfeld geändert?
Alles zu glauben und zu akzeptieren was „übergeordnete“ Personen und Organisationen sagen. Die Aussage „Da kannst Du doch sowieso nichts ändern” ist falsch! Keiner sollte diesen Blödsinn glauben. Wer etwas verändern will kann dies auch tun!
Welche Aufgaben hast Du anfänglich bei GREENPEACE übernommen. Welche Tätigkeiten umfasst Dein Wirken heute?
Zuerst war ich ehrenamtlich tätig. Ich habe Vorträge gehalten und Infostände in der Fußgängerzone von Oldenburg organisiert und durchgeführt. Später habe ich an Aktionen zu Lande und auf See in mehr als 15 Ländern auf drei Kontinenten teilgenommen. ich arbeitete einige Jahre als Matrose auf verschiedenen GREENPEACE- Schiffen. Dann war ich für die Ausbildung der neuen Aktivisten mit zuständig. Ich bildete Nachwuchskräfte im Schlauchboot fahren und gewaltfreien Widerstand aus. Heute bereite ich nationale und internationale Kampagnen für „erneuerbare Energien“ vor und bin Teil der internationalen GREENPEACE-Delegation bei Konferenzen der ‚Vereinten Nationen‘. Nach wie vor nehme ich aber auch an gewaltfreien Aktionen gegen Umweltzerstörer teil.
GREENPEACE umfasst ja viele Aktionsfelder. Warum hast Du Dich für die Energiepolitik spezialisiert?
Ich habe mich auf Energiepolitik spezialisiert, weil ich die Zerstörung des globalen Klimas durch fossile Energien, sowie die Gefahr eines nuklearen Unfalls bei der Nutzung der Atomenergie als eine der zentralsten Bedrohungen unseres Planeten sehe.
GREENPEACE ist für seine spektakulären Aktionen öffentlich bekannt geworden. An welchen Aktionen hast Du teilgenommen?
Ich habe bei diversen Aktionen gegen Transporte von Atommüll in Deutschland, Frankreich und der Schweiz teilgenommen. Bei Aktionen gegen Atomtests in Deutschland und Frankreich, sowie bei Demonstrationen gegen neue Kohlekraftwerke in Thailand und den Philippinen war ich ebenso dabei, wie auch bei Aktionen gegen Einleitungen von chemischen Giften in Norwegen, Schweden und Finnland. Des Weiteren war ich beteiligt an Demonstrationen gegen die Erschließung von neuen Ölfördergebieten in der US-amerikanischen Arktis.
Wie wurdest Du auf solche Aktionen vorbereitet?
Durch intensive Sicherheitstrainings, gute Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten, fließend Englisch sprechen und ein gesundes Maß an Selbsteinschätzung haben. Außerdem helfen die Erfahrungsberichte der erfahrenen Aktivisten.
Welche besonderen Ereignisse haben Dich während dieser Aktionen geprägt?
Nach einer Aktion in Untersuchungshaft zu sitzen – und nicht zu wissen, ob das betreffende Land einen answeist und zu einer Haftstrafe verurteilt. Und — viel wichtiger — zu erfahren, dass nur ein gutes Team mit einem gemeinsamen Verständnis, das sich untereinander vollständig vertraut, wirklich in der Lage ist, etwas zu verändern.
Es gibt Vorwürfe, die basisorientierte Umweltschutzorganisation habe sich in einen Umweltkonzern entwickelt. Wie beurteilst Du das?
Diese Vorwürfe kamen verstärkt nach dem internationalen Erfolg von GREENPEACE. Wir arbeiten heute in über 40 Ländern auf allen Kontinenten. Basisdemokratische Entscheidungen sind bei dieser Größe der Organisation faktisch unmöglich. Um effektiv arbeiten zu können, müssen klare und kurze Entscheidungswege eingehalten werden. Das Abrutschen in einen uneffizienten „Debattierklub“ würde vor allem den großen Konzernen helfen. Also denen, die die Hauptverantwortung an der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen tragen. Eine Umweltschutzorganisation ist keine Selbsterfahrungsgruppe. Ein „Umweltkonzern“ sind wir deshalb noch lange nicht. Denn nur wenn wir Rückhalt in der Bevölkerung und unseren zahlreichen ehrenamtlichen Helfern erfahren, können wir auch etwas erfolgreich verändern. Entscheidungen die von der Mehrheit unserer Förderer nicht mitgetragen werden, erzeugen auch keinen politischen Druck.
Welchen direkten Einfluss auf globale Veränderungen kannst Du bezüglich Deiner Tätigkeiten nehmen?
In meiner Funktion kann ich einen direkten Einfluss auf den Aufbau von erneuerbaren Energien (politisch und wirtschaftlich) nehmen. Dieser Aufbau hat wiederum Einfluss auf die Energieversorgung der Zukunft.
Mit welchen Organisationen, Personen arbeitest Du noch zusammen?
Ich arbeite mit verschiedenen Organisationen im Bereich erneuerbare Energien und Entwicklungshilfe zusammen Des Weiteren arbeite ich mit Instituten und Universitäten in Europa, Australien, den USA und Asien zusammen.
Welche persönlichen Erfolge sind Dir bei GREENPEACE besonders wichtig gewesen?
Die Verdreifachung des Marktes für Solarenergie zwischen 1995 und 1997 konnte in direkten Zusammenhang mit meiner Kampagnen-Arbeit gesetzt werden. Darauf bin ich stolz. Außerdem ist aus der „Stromwechsel-Kampagne eine Aktion für den Wechsel zu einem umweltfreundlichen Stromversorger, ein neuer Stromversorger mit dem Namen „GREENPEACE energy eG“ entstanden . Heute versorgt die Firma, für die ich das technische und wirtschaftliche Konzept erarbeitete, rund 20.000 Haushalte in Deutschland und Luxemburg. 26 Menschen haben bei dieser Firma einen dauerhaften Arbeitsplatz gefunden.
Wie schätzt Du die moralische Unterstützung seitens der Bevölkerung zu Euren Aktionen, zu Eurer Arbeit ein. Besteht eine breite Akzeptanz und Zustimmung oder häufen sich Skepsis und Zweifel auch im Hinblick von Gewalt-Vorwürfen bei direkten Aktionen?
Die moralische Unterstützung ist sehr wichtig. Keiner kann lange in einem Umfeld arbeiten, in dem nur Feindlichkeit und keine Unterstützung für das eigene Handeln dominieren. Skepsis und teilweise auch Ablehnung erfahren wir bei Leuten, die von unseren politischen Forderungen direkt betroffen sind. Ein Arbeiter eines Atomkraftwerkes wird GREENPEACE nicht gut finden können, denn wir arbeiten an der Abschaffung seines Arbeitsplatzes. Wir können aber nun mal keine Arbeitsplätze schützen, die nur dann erhalten werden können, wenn Atommüll produziert wird, der über tausende von Jahren strahlt. Für diese Arbeitsplätze müssen die nächsten Generationen teuer bezahlen.
Mit welchen öffentlichen, politischen, menschlichen Repressionen müsst ihr Euch auseinandersetzen?
Aufgrund meiner Aktionen sind mir einige „Karrieremöglichkeiten“ unmöglich. Ich werde nie Beamter werden können und auch die Chance, einen hochbezahlten Posten in einem internationalen Konzern zu bekommen, geht gegen Null. Menschlich bekomme in Deutschland viel positives Feedback. Meine Kollegen in anderen Ländern wie Japan oder den USA genießen dieses Privileg nicht. Sie sind oft die ‘UNDERDOGS’ in ihrer Gesellschaft.
Wie schöpfst Du neue Kraft, Energie, um die anstrengende Arbeit zu kompensieren?
Viel gute Musik hören. Ich persönlich höre sehr gerne Triphop, Hiphop, Drum&Base und Trance. Außerdem ziehe ich aus den zahlreichen Reisen viel Kraft. Ich liebe es, unterwegs zu sein und Neues zu sehen.
Welche persönliche Vision gilt es, verwirklicht zu werden?
Ich beginne gerade ein internationales Solar-Jugendprojekt. Musik spielt bei diesem Projekt eine wichtige Rolle. Ich fände es schön, die neue (Solar-)Generation zu motivieren und den Kampf für eine solare Energieversorgung weiter zu führen. Ich würde gern in meinem Leben sehen, wie eine solare Revolution stattfindet. Der letzte Arbeiter, der seinen Arbeitsplatz in einem Atomkraftwerk verliert, bekommt von mir eine Kiste Bier.
Wenn Du Umweltminister wärst, dann…
…würde ich den Atomausstieg innerhalb von 7 Jahren vollziehen. Es würden keine weiteren Transporte von radioaktivem Material in die Wiederaufbereitungsanlagen ‚Sellafield‘ und ‚La Hague‘ gehen und der Atommüll- Standort ‚Gorleben’ würde sofort aufgegeben werden. Der Ausstieg aus den fossilen Energien innerhalb der nachsten 30 Jahre würde beschlossen und ein generelles Verbot zum Bau von neuen Kohlekraftwerken wurde mit sofortiger Wirkung verhängt werden.
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