Glück auf!

Wir leben in einer Zeit, in der uns Produkte und Dienstleistungen angeboten werden, die drauf abzielen, Zeit einzusparen. So gibt es beispielsweise Mikrowellengerichte, sogar ganze Menüs, die in Nullkommanix fertig sind und besonders bei den Kleinen Begeisterung auslösen, wenn sie sabbernd vor der Mikrowelle stehen und auf den sich drehenden Teller starren, als würden hypnotische Strahlen das Hirn aufweichen. Gut, später ist dasselbe Phänomen bei den Heranwachsenden zu beobachten, wie sie im Club “Zur feuchten Grotte” in einer Kabine auf einen Drehteller starren, auf der sich Jacqueline unbekleidet räkelt, posiert und gestikuliert. Und auch hier geht es um Zeit, verdichtet sich sich das kleine runde Guckloch, wenn kein Geld nachgeschmissen wird. Doch egal ob Mikrowellengerichte oder Jacqueline, irgendwann sind die Zeiteinheiten abgelaufen und wir stehen hilflos da und wissen nichts mit uns und der eingesparten Zeit anzufangen. Die Selbstmordrate steigt, Menschen laufen Amok, zeigen selbst-verletzendes Verhalten und kauen an Fingernägel oder gehen in die Malls und in die Kneipe, um sich mit einem Rausch weg zu beamen auf eine Insel ohne Probleme, ohne Mikrowellengerichte, aber mit Jacqueline.
Des Weiteren gibt es Dienstleistungen, die uns den Alltag erleichtern und helfen, Zeit einzusparen. Ob Kaffee, belegte Brötchen, Sex, Internet,…alles zum Mitnehmen, to go, Flatrate inklusive. Ich frage mich, ist der Mensch bei all der Zeitersparnis zufriedener und glücklicher?
In Zeiten der Leistungsgesellschaft und der Effektivitätssteigerung zur allgemeinen Einsparung kommt Sex nicht um eine Rechtfertigung und Bewertung seiner Dienste und Leistungen herum. Beck beschreibt subjektives Wohlbefinden als eine ,,im individuellen Erleben realisierte Kategorie; es stellt eine affektive Bilanz von Emotionen und eine kognitive Bewertung der Bedürfnisbefriedigung und damit der alltäglichen Erfahrungen dar.” Innere Ressourcen sind Produzenten des Wohlbefindens.
Frauen, die sexuell zufrieden sind, sind auch glücklicher, unabhängig von ihrem Alter, wie eine neue Studie nahe legt. Es ist jedoch nicht klar, welch andere Ursachen hierfür noch ausschlaggebend sind. Du magst jetzt denken “Klar, besserer Sex macht bessere Laune”. Aber in der Wissenschaft ist Denken eine Annahme, die es zu überprüfen gilt.
Bei der Beschreibung von positivem Wohlbefinden werden die Begriffe ,,Zufriedenheit” und ,,Glück” vorrangig verwendet. Während ,,Zufriedensein” eine eher kognitive Bewertung darstellt, beschreibt ,,Glück” einen affektiven Zustand.
Noch vor nicht so langer Zeit jedenfalls hätte es jeder vernünftig denkende Menschen als Schnapsidee empfunden, dem Glück durch eine Wie-geht-es-dir-Wissenschaft auf die Spur zu kommen. 2000 Jahre lang nämlich waren für Fragen des Glücks nicht Meinungsforscher, sondern Philosophen zuständig. Und die nutzten ihr Monopol, um für den eigenen Lebensstil Werbung zu machen. Aristoteles (384-322 v. Chr.) zum Beispiel pries die meditative Versenkung in theoretische Betrachtungen als höchste Form des Glücks. Ein anderer, Epiktet (50-138 n. Chr.), empfahl “Verachtung all dessen, was nicht in unserer Macht steht”. An Macht und Reichtum solle der Philosoph ebenso wenig sein Herz hängen wie an Weib und Kind.
Wenn es nicht gelingt, ein Leben im Einklang mit grundlegenden emotionalen Bedürfnissen zu führen, wenn diese Bedürfnisse gar unklar sind oder nicht geäußert werden können, dann entstehen Depression und Lethargie auf der einen, hilflose Erregtheit und Aggressivität auf der anderen Seite. Wie am Beispiel von Mikrowellengerichte und Jacqueline auf dem Drehteller sind Liebe und Sex sind zwei Gegensätze. Sie sind im Ursprung und in ihrer Natur unterschiedlich und basieren auf entgegensetzen Prinzipien. Sex kann in Bezug auf die Person sehr oberflächlich sein, Liebe nicht. Liebe ist immer eine persönliche Beziehung. Dies ist beim Sex nicht immer so. Liebe ist erhöhend, Sex dagegen erniedrigend. Reine Liebe adelt; reiner Sex demoralisiert. Liebe ist erfrischend, Sex entkräftend. Liebe ist selbstlos, Sex ist selbstsüchtig. Liebe ist spirituell, Sex ist rein körperlich. Das Problem ist, dass wir, in unserer Verliebtheit, dazu neigen, Liebe und Sex miteinander zu verwechseln. Aus diesem Grund gehen die Einen in den Supermarkt und kaufen Mikrowellenfertiggerichte (oder -menüs), während die Anderen in den Club gehen, um Jacqueline anzustarren.
Glücklich sein ist eben ein rein subjektives Empfinden.